Im Jahre 1962 fand im Kreis Westhavelland der größte Postraub in der gesamten DDR-Geschichte statt. Mittels eines manipulierten Signals wurde der Postzug von Neustadt (Dosse) nach Brandenburg-Hauptbahnhof in der Nacht zum 8. August am Stellwerk Großderschau zum Stehen gebracht. Die Räuber überwältigten den Lokführer und fuhren dann den Zug bis zur Brücke über den Hohennauener See. Dort wartete ein Schiff auf die Räuber und ihre Beute. 50 Postsäcke wurden in Windeseile umgeschlagen.
Durch eine falsche Fährte suchte die Polizei auf der Havel in Richtung Westen nach den Räubern, während diese aber über den Großen Havelländischen Hauptkanal in Richtung Osten türmten. Vier Tage tappte die Polizei völlig im Dunkeln, bis sie durch Zufall auf das bereits wieder verlassene Versteck der Räuber stieß. Dort fanden sich Spuren von verbrannten Postsäcken. Doch warum sollten die Räuber ihre Beute verbrennen? War die Post überhaupt das Ziel der Bande gewesen?
Schließlich stellte sich heraus, dass sich in einem Sack eine Lieferung von Bögen für Schweizer Aktien mit Wasserzeichen befand, hergestellt in der Papierfabrik Hohenofen. Bögen, mit denen Fälscher „echte“ falsche Aktien drucken konnten, in Millionenwerten und in Devisen! Schnell stellte sich heraus, dass eine Person aus der Papierfabrik den Posträubern den heißen Tipp gegeben hatte.
Eine in der DDR-Geschichte beispielslose Fahndung begann und zwölf Bandenmitglieder wurden schnell verhaftet. Ausgerechnet der Kopf der Bande konnte sich aber durch einen Fluchttunnel nach West-Berlin absetzen und entkam in den Britischen Sektor. Nach Verhören durch den britischen Nachrichtendienst wurde der Chief unter neuer Identität nach London ausgeflogen, um unter rätselhaften Umständen kurz darauf in den Verbrecherkreisen Londons zu verschwinden. Im Jahr darauf wurde ein Zug der Royal Mail nach dem Vorbild des Postzugraubes von Hohennauen überfallen.
Die Staatssicherheit vertuschte den großen Postraub, weil die Sache so peinlich war. Die Beute tauchte nie wieder auf …
Text und Zeichnungen: Sebastian Strombach