ROSSTÄUSCHER

Als die Schweden 1675 in Brandenburg einfielen und das Havelland und Rathenow besetzten, war Christian Friedrich von Kalebuz gar nicht amused. Nicht nur, dass die schöne Müllerin der Neustädter Mühle jetzt unter schwedischer Besatzung stand, nein, er sollte standesgemäß auch noch für seinen König, Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, in dem Kampf ziehen. Doch es half nichts und so schnürte er seinen Harnisch, ließ sein bestes Pferd satteln und zog in die Schlacht. 
Aber bald schon bereute er es – als er am Wegesrand dutzende von Munition durchsiebte und von Kanonenkugeln zerfetzte Pferdeleiber sah. Was würde passieren, wenn die vermaledeiten Schweden auch ihn seines kostbaren Untersatzes berauben würden? Da kam ihm – als er seinen Oberbefehlshaber zu Pferd sah – eine teuflische Idee. Breit lächelnd grüßte er seinen Lehnsmann und sprach mit einschmeichelnder Stimme zu ihm: „Euer Hochwohlgeboren mein geliebter Herrscher sei gegrüßt! Wie ich sehe, ist euer Ross von den vielen Gewaltritten und Schwedenverfolgungen zu Tode erschöpft! Nehmt daher mein Pferd, es ist von edelstem Aleppo-Geblüt!“ Der Kurfürst schlug ein und Ritter Kalebuz frohlockte: Er wird sich schön hinter den Linien der Schlacht halten. So ein dicker Mann geht doch kein Risiko ein, und damit ist mein Pferd ganz sicher!
Doch weit gefehlt. Schon rief der Fähnrich: „Die Schweden stehen an der Brücke über den Rhin!“ und der Große Kurfürst ritt an der Spitze seiner Männer mittenmang ins tiefste Getümmel! Potzblitz!, dachte Kalebuz, da muss ich ja mitreiten, sonst wird es mir übelst ergehen. 
Im heißesten Gefecht legten es die Schweden darauf an, den Kurfürsten zu töten. Und da sein Pferd weithin bekannt war, legten sie alles Feuer auf seinen prächtigen Schimmel. Doch auf dem saß ja der krumme Kalebuz! Kugeln machten dem Leben des prächtigen Gauls ein Ende und auch der umtriebige Ritter bekam einen Streifschuss am Knie ab. „Meine Beine! Ich verblute!“, schrie der Held – und da er über und über mit dem Blut des kurfürstlichen Pferdes besudelt war, trugen ihn die Leibgardisten schnell in die Sicherheit hinter den Schlachtreihen – weil sie glaubten, ihr Kurfürst auf seinem armen Pferd wäre tödlich verwundet. 
Der echte Kurfürst aber focht an der Brücke am Rhin und lehrte die Schweden das Fürchten! Der Kalebuz hielt sich abseits im Lazarettzelt, seine leichte Wunde hatte schnell aufgehört zu bluten. Sein Plan ging auf: Nach der siegreichen Schlacht bekam er sein Ross zurück, das wundersamer Weise unversehrt geblieben war.
Sehr viel später entstand die Legende, ein treuer Gefolgsmann des Kurfürstens hätte sich für seinen Herrn freudig in der Schlacht geopfert – ein Vorbild für alle preußischen Soldaten. Ritter Kalebuz aber hatte nur sein Eigentum schützen wollen. Er ritt schnell zur befreiten Müllerin nach Neustadt zurück. Die jedoch war gar nicht erpicht auf den Junker und vertrieb ihn mit einer echten schwedischen Pferdepeitsche.

Text: Sebastian Strombach

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Hintergrund: Ritter Kalebuz wurde in der Schlacht von Fehrbellin angeblich am Knie verwundet.

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