Einzigartige „Ferkeltaxe“ aus dem Museum Gramzow soll wieder auf die Schiene | In der Uckermark wollen Bahn-Enthusiasten das einzig verbliebene Original der ersten Baureihe des Kultobjektes fahrbereit machen
Klack-klack. Klack-klack. Bei Sven Altermann gehen die Mundwinkel nach oben, seine Augen leuchten, wenn er an dieses unnachahmliche Geräusch denkt, mit der der LVT einst über die Schienen polterte. Klack-klack. Klack-klack. Das ist Musik in seinen Ohren, in Kindheitstagen abgespeichert, als er zwischen Chemnitz und Annaberg-Buchholz unterwegs war. Die vergisst er nie. Ach ja, der gute, alte LVT. In Langform: Leicht-Verbrennungs-Triebwagen. Die Übersetzung für den Otto-Normal-Verbraucher: „Ferkeltaxe“.
DIE HÜTER DER EISENBAHNROMANTIK
Es gibt sie noch. Im Regelbahnbetrieb in Deutschland findet sie zwar keinen Platz mehr. Dafür aber im Herzen vieler Nostalgiker sowie Hüter der Eisenbahn-Geschichte und Bewahrer der Eisenbahn-Romantik. Im uckermärkischen Eisenbahnmuseum Gramzow steht der letzte original erhaltene LVT 771, der ab den 1960er-Jahren Menschen von A nach B beförderte. Nach den Baumustern 01 und 02 als Testversionen ging der LVT 771 003 als Nullserienfahrzeug schließlich in Betrieb. Mehr als drei Jahrzehnte taten die Fahrzeuge – in Bautzen und Görlitz hergestellt – in der DDR und nach der Wende auch noch im vereinigten Deutschland ihren Dienst. Ein Exemplar dieser Baureihe haben sich die Gramzower 1996 gesichert. Genau in dem Jahr eröffnete auf dem Bahnhofsgelände Gramzow das „Brandenburgische Museum für Klein- und Privatbahnen“. Die “Ferkeltaxe“ passte da gut hinein. Bestens ergänzt wurde das Thema Eisenbahn zwei Jahre später mit der Gründung der Gramzower Museumsbahn.
Wird in mühevoller Arbeit aufbereitet: die „Ferkeltaxe“
Quelle: Stefan Blumberg
Der in Gramzow stehende LVT, 1962 in Betrieb genommen, war in seinen letzten Einsatzjahren in Sachsen und in der Prignitz auf der Schiene, bevor er in Stendal wegen eines Getriebeschadens ausrangiert und in den Ruhestand versetzt wurde. Mehr davon gibt es aus der Reihe heute nicht mehr. Nachfolge-Exemplare gingen in der 1990ern nach Kuba, Rumänien oder Brasilien, manche fahren dort heute noch.
GRAMZOW: INITIATIVE STARTET AUFBAUAKTION
Fast drei Jahrzehnte fristete er unter freiem Himmel sein Dasein. Äußerlich ist es ihm trotz eines zweimaligen Liftings durchaus anzusehen, aber er ist robust. Dem guten Stück, dessen einst dunkelrote Farbe verblasste, dessen Metallteile von Rost befallen wurden und dessen technische Ausstattung nicht mehr funktionstüchtig war, soll neues Leben eingehaucht werden. Deswegen gründete sich 2021 in Gramzow auf Initiative des Fördervereins eine Interessengemeinschaft (IG) LVT, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die „Ferkeltaxe“ möglichst in den alten Zustand zu versetzen. An der IG-Spitze stehen Sven Altermann, stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins des Eisenbahnmuseums Gramzow, und der Leiter des Museums, Dieter Engel.
Museumsleiter Dieter Engel (links) und der stellvertretende Vorsitzende
des Fördervereins, Sven Altermann, mit der Spendenurkunde
Quelle: Stefan Blumberg
Eine Herkulesaufgabe für alle Mitstreiter. Der Triebwagen steht inzwischen unter einem Zelt. Alles, was sich ausbauen ließ, ist schon raus. Sitze, einer der beiden Führerstände, Verkleidungen, um zu kontrollieren, wie der Zustand dahinter aussieht. Die IG hat mal durchgerechnet, dass etwa 300.000 Euro aufgewendet werden müssten, wenn die gesamte Wiederherstellung fremdvergeben werden würde. So viel Geld könnten Verein und/oder IG nicht aufbringen.
GRAMZOWER SANIEREN „FERKELTAXE”
„Deshalb versuchen wir, so viel wie möglich selbst zu machen und Teile und Material allein zu besorgen. Viele Originalteile gibt es gar nicht mehr“, sagt Dieter Engel. Die porösen Scheibengummis ersetzen, Sitzpolsterung erneuern, Elektrik reparieren oder den Innenraum mit dem nun wieder produzierten Sprelacart zu verkleiden, sind solche Dinge, die man selbst machen könne und werde. Und die Karosserie. Da habe man bereits Unterstützung von einer Berufsbildungseinrichtung erfahren. Erste Roststellen seien ausgebessert worden. „Insgesamt aber ist der LVT mit einer soliden Fahrzeugtechnik gebaut worden“, so Sven Altermann. Deshalb müsse keineswegs alles neu gemacht werden, aufgearbeitet aber schon.
So sieht es aktuell im Innenraum aus.
Quelle: Stefan Blumberg
Was die Gramzower und ihre Helfer nicht können: den Motor instandsetzen oder das defekte Getriebe reparieren. Dafür sind sie auf Fachleute angewiesen. Das sind vermutlich die Punkte, die richtig ins Geld gehen. Etwas mehr 25 000 Euro sind an Spenden bislang eingegangen. Die werden nicht ausreichen, um irgendwann mal wieder – einen Zeitplan gibt es nicht – das Klack-klack, Klack-klack zu hören. „Das ist aber unser Ziel. Der LVT soll eines Tages wieder rollen“, so Dieter Engel. Um Einnahmen zu generieren, laden die Gramzower regelmäßig zu solchen Veranstaltungen wie die Saisoneröffnung, das Bahnhofsfest, das Herbstfest und den Saisonabschluss ein. Die sind immer gut besucht. Dort gibt es auch Fanartikel wie Schlüsselanhänger, Kalender oder Liköre. Fördertöpfe sollen zudem angezapft werden.
MUSEUMSFAHRTEN AUF ZEHN KILOMETERN
Eine Strecke, auf der die Fahrzeuge unterwegs sind, gibt es. Der kommunale Zweckverband „Brandenburgische Museum für Klein- und Privatbahnen“, unter dessen Dach das Eisenbahnmuseum und die Museumsbahn zu Hause sind, übernahm vor Jahren die ehemaligen Kleinbahnstrecken Gramzow bis Damme und Damme bis Eickstedt mit ihren Bahnhöfen und Haltepunkten. 2009 wurde auf der etwa zehn Kilometer langen Strecke der Museumsbahnbetrieb von Gramzow nach Damme aufgenommen. Auch für den Betrieb des LVT 171 003 ist das denkbar (auch in anderen Teilen Deutschlands fahren die „Ferkeltaxen“ als Museumszüge).
Das Interesse an der „Ferkeltaxe“ reißt nicht ab. Als es der Deutschen Reichsbahn einst schlecht ging, rettete der Triebwagen, von manchen auch Schienenbus bezeichnet, dem Unternehmen aus rein wirtschaftlichen Gründen das Überleben und entwickelte sich nach der Wende zum Kultobjekt, so Dieter Engel, der gar nicht aus der Branche kommt, aber schon immer leidenschaftlicher Eisenbahnfan war. Die Bauart war günstig in der Anschaffung und praktisch obendrein.
Der Führerstand wird künftig wieder so aussehen wie neu.
Quelle: Stefan Blumberg
Das Original mit der einzigartigen Panoramascheibe steht und gedeiht in Gramzow. Es ist eines von 40 Fahrzeugen mit allen Antriebsarten (Dampf, Diesel, Elektro), die auf dem Museumsgelände verteilt sind. Zu denen gehört auch ein Beiwagen der „Ferkeltaxe“. Dieter Engel: „Wenn der LVT fertig ist, ist der Beiwagen dran.“
Autor: Stefan Blumberg | MAZ vom 26.10.2024
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Kontakt zum Förderverein
Eisenbahnmuseum Gramzow | Am Bahnhof 3 | 17291 Gramzow | Tel 039861/70159 | E-Mail: eisenbahnmuseum-gramzow@freenet.de
Spendenkonto: Sparkasse Uckermark, Kontoinhaber: Amt Gramzow; IBAN: DE79 1705 6060 3451 0000 58; codierter Zahlungsgrund: 25200 4148, LVT, Ferkeltaxe