DER MOTORRADFAHRER

Es begab sich zu einer Zeit, in den 70er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, dass ein Motorradfahrer aus der Gegend ein Motorrad mit einem Beiwagen besaß, das vermutlich aus einem früheren Jahrzehnt desselben Jahrhunderts stammte. Mit diesem belieferte er Bewohner der umliegenden Dörfer mit raren Papierwaren wie Toiletten- und Butterbrotpapier, welche aus dem Sortiment der Papierfabrik Hohenofen stammten. Ob dieses Geschäft legal war oder nicht, ist der Erzählerin nicht bekannt.
Zur üblichen Zeit der Belieferung stand die Erzählerin mit ihrer Mutter gemeinsam am Fenster ihres Hauses in Raminsgut und sah hinaus. Der Motorradfahrer war noch nicht zu sehen, wohl aber die Nachbarin Frau K. in ihrem Garten bei der Gartenarbeit. Zu diesem Zweck hatte sie sich einen kurzen, bunten Nylonkittel angezogen, im Sommer eine durchaus typische Bekleidung der damaligen Zeit. Nun betrug es sich aber, dass die Nachbarin unter dem kurzen Kittel eine Unterhose trug, deren Beinschäfte bis knapp zu den Knien reichten, sogenannte Liebestöter. Die hielten zwar warm, wurden jedoch unter der kurzen Schürze sehr sichtbar, zumindest beim Bücken, einer üblichen Haltung bei Gartenarbeit. Die Nachbarin, sich des Anblicks, den sie bot, sicher nicht bewusst, bückte sich gerade tief in ein Gemüsebeet, als das Motorrad aus Richtung Sieversdorf gefahren kam. Der Fahrer, als er der Frau ansichtig wurde, konnte sich des Anblicks nicht erwehren, verlor die Beherrschung über sein Motorrad und fuhr in den Gartenzaun, der daraufhin umfiel.
Die Erzählerin und ihre Mutter hielten sich ob des Ereignisses die Bäuche vor Lachen. Inwieweit es an Ort und Stelle noch zum Verkauf der raren Papiere kam, ist nicht bekannt.

Text: Frau Altenburg

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