DIE MEISTERDIEBIN VON RHINOW

Dietrich von Quitzow war um 1400 einer der grausamsten und hinterlistigsten Raubritter in der Mark Brandenburg. Einmal zog er von einem großen Beutezug in Havelberg zurück in Richtung Friesack, wo seine Stammburg lag. Da es aber Frühjahr war und das ganze Luch überschwemmt, kam es, dass er mit seinen Pferden, Karren, Gesinde und erbeutetem Vieh im Schlamm feststeckte. Was tun? Er machte sich allein auf den Weg.
Zum Glück war das Ländchen Rhinow nicht weit, wie eine Insel ragte es aus den Niederungen hervor. Und genau wie bei ihm stand da eine gut befestigte Burg. Die Burgherrin war Rondolfine von Rhin. Sie war seit kurzem Witwe, ihr Mann war von Hildgard der Fischerin, die er auf ihrem Hof in Kiez ausrauben und schänden wollte, mit einer Harpune aufgespießt worden.
„Wollen wir doch mal sehen, wer da der Mann im Hause ist“, sagte sich Dietrich und klopfte energisch ans Burgtor. Keine andere als die schöne Burgherrin öffnete. „Steig ab, edler Reiter und sei mein Gast“, säuselte sie dem verdreckten und stinkenden Ritter entgegen. Dietrich frohlockte, Burg und Dame wären noch heute Abend sein!
Die Schöne führte ihn über eine breite Treppe in einen großen Saal, in dessen Mitte ein goldener Kessel mit Wasser dampfte. Rosendüfte stiegen empor und machten den Ritter ganz benebelt. „Entkleide dich und steige ins Bad, ich werde in der Küche schauen, dass es dir an nichts fehlen möge!“, lächelte sie und verließ den Raum.
Dietrich zögerte nicht und planschte alsbald im goldenen Kessel. Doch als er sich gerade genießerisch zurücklehnen wollte, spürte er einen kalten Luftzug und – zack! – war ein großes Fischernetz über ihn geworfen worden. Strampelnd versuchte er sich zu befreien, schrie, doch die Burgherrin und ihre beste Freundin Hildgard droschen mit festen Knüppeln auf ihn ein! –
Als Dietrich zur Besinnung kam, lag er am Ufer des Rhins, ganz in der Nähe der Stelle, wo er sein Gesinde zurückgelassen hatte. Er war benommen, alle Knochen taten ihm weh. Doch wo waren sein Schwert, der Tross und die Beute des ganzen Winters? Nur ein Brief lag da. Nachdem sich der Geschundene in der Dunkelheit nach Friesack zurückgeschleppt hatte, lies er sich vom Abt zu Jerichow, den er auf seiner Burg als Geisel hielt, vorlesen: „Verehrter Quitzow, solltest du auch nur daran denken, irgendwann unsere Besitzungen zu betreten, werden wir im ganzen Havelland erzählen, wie du dich von zwei Frauen zum Dämel hast machen lassen! Küsschen Rondolfine und Hildgard.“
Dietrich schnaubte vor Wut, erschlug den Abt mit seinem Ersatzschwert und verlor nie wieder ein Sterbenswörtchen über die Sache.

Text: Sebastian Strombach

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