DIE STILLLEGUNG DER BAHNSTRECKE

Die Bahnstrecke der Brandenburgischen Städtebahn zwischen Treuenbrietzen und Neustadt (Dosse) zählte zu den bedeutendsten deutschen Privatbahnen. Sie wurde bereits im 19. Jahrhundert als Teil eines Berlin großräumig umrundenden Eisenbahnringes konzipiert. Die Strecke war 99 Jahre in Betrieb – von 1904 bis 2003. Die Papierfabrik Hohenofen als wichtiger Industriebetrieb war bis Anfang des 20. Jahrhunderts hauptsächlich mit Lastkähnen über den Wasserweg der Dosse versorgt worden, 1903 wurde der Abschnitt von Neustadt nach Hohenofen, mit dem Anschlussgleis Papierfabrik, fertiggestellt. 1904 kam der Rest der Strecke dazu.

Bahnhof Sieversdorf (zwischen 1906 und 1910)

Mit einer geschickten Strategie wurde knapp hundert Jahre später die Stilllegung durchgesetzt. Bald nach der Wende, schon 1991, wurde geplant, die Strecke Neustadt – Brandenburg stillzulegen. Busse sind ja „viel viel“ besser. Als dann die Deutsche Bahn AG, ein Zusammenschluss der Reichsbahn mit der Bundesbahn, Ende 1993 das Netz der Reichsbahn übernahm, wurde daran gearbeitet, die Stilllegung so schnell wie möglich zu bewerkstelligen. Als Schritt eins wurden die Fahrpläne so verändert, dass es für jeden uninteressant war, die Bahn zu benutzen. Abfahrtszeiten zum Beispiel wurden so gelegt, dass man, wenn man von Berlin kam, in Neustadt den Zug nach Rathenow nur noch abfahren sah. Eine Zählung ergab dann, dass die Bahn kaum genutzt wird. Dieses Ergebnis wurde in den Medien weit verbreitet – Schritt zwei der Stilllegung. Dann wurde die Eisenbahnstrecke in die Hände des Landes Brandenburg gelegt – Schritt drei. Die das Sagen hatten, fanden es besser, Busse einzusetzen. Inzwischen waren die Fahrgäste wegen der Fahrpläne der Bahn und der Fahrzeiten der Busse auf das eigene Auto umgestiegen. Das Ergebnis: Ein Nahverkehr wird scheinbar nicht gebraucht. Mit dieser Methode wurden in Deutschland hunderte Strecken stillgelegt.
Die Strecke Neustadt – Rathenow wurde 2003 außer Betrieb gesetzt und 2006 stillgelegt. Sie wurde dann verkauft und schnell abgebrochen. Schienen und Schotter brachten dem Käufer ein hübsches Sümmchen – aber nur ein Zwanzigstel von dem, was ein Neubau der Strecke kosten würde. Auch wurde versäumt, wenigstens auf einigen Abschnitten Radwege anzulegen, zum Beispiel in Rhinow als „Stadtumgehung“.

Text: Michael Deylitz, Zeichnung: Sebastian Strombach

Ehemaliger Bahnhof Rathenow-Nord
Brücke in Hohennauen | Fotos: Sven Bardua

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